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Lambsdorff auf Spiegel online: So können wir den Euro retten

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Schuldentilgung statt Euro-Bonds
SO KÖNNEN WIR DEN EURO RETTEN

Ein Debattenbeitrag von Alexander Graf Lambsdorff

Der Sondergipfel der EU war der 18. seiner Art seit Ausbruch der Krise. Gelöst wurde nichts, stattdessen hatte ein Thema Konjunktur, das eigentlich schon abgeschlossen schien: Euro-Bonds, Gemeinschaftsanleihen, bei denen ein Land sich zur Finanzierung des eigenen Defizits Geld an den Märkten leihen kann, während alle anderen Mitglieder der Euro-Zone zur Mithaftung für die Rückzahlung in die Pflicht genommen werden. Dass damit jeder Anreiz zu solider Haushaltspolitik schlagartig verschwindet, es also einen “moral hazard” gibt, einen Anreiz für unmoralisches Verhalten, liegt auf der Hand.

Deutschland und einige Getreue lehnen Euro-Bonds daher völlig zurecht ab, doch der wirtschaftspolitische Globalkonsens ist längst woanders: Der IWF will gemeinsame Euro-Anleihen, François Hollande und Mario Monti wollen sie, die Weltbank, China und Barack Obama wollen sie, auch die großen institutionellen Anleger wie Versicherungen und Pensionsfonds wollen sie. Einige Argumente der Befürworter sind dabei durchaus ernstzunehmen:

Ein gemeinsamer Anleihemarkt erhöht die Sicherheit europäischer Papiere, der Markt wird größer und liquider, und die Zinsen für die meisten Teilnehmer sinken, was die Refinanzierung erleichtert.
Wenn Deutschland Euro-Bonds also nicht will, muss es einen besseren Vorschlag haben – eine reine Verweigerungshaltung wird kaum durchzuhalten sein.

Mit dem Konzept der deutschen Wirtschaftsweisen für einen Schuldentilgungspakt liegt eine Lösung längst auf dem Tisch, wie ein großer Markt auch ohne verkehrtes Anreizsystem geschaffen werden kann. Wie sich also deutsche und französische Vorschläge verbinden ließen. Im Jahreswirtschaftsbericht 2011/12 vorgelegt, wird er außerhalb Deutschlands inzwischen stärker debattiert als in Berlin, wo er postwendend abgelehnt wurde.

Ein Volumen von 2,3 Billionen Euro

Die Funktionsweise eines solchen Pakts ist vergleichsweise simpel. Ein bestimmter Anteil der heute aufgelaufenen Staatsschulden wird in einem Fonds gebündelt, dessen Höhe von den Parlamenten der teilnehmenden Länder zuvor festgelegt und damit begrenzt wird. Über diesen Betrag schließen die beteiligten Staaten einen Vertrag ab, der die Tilgung der jeweiligen Anteile in einem bestimmten Zeitraum vorsieht.

Welche Summe genommen wird, ist in das Belieben der teilnehmenden Staaten und ihrer Parlamente gestellt. Der Vorschlag der Sachverständigen sieht vor, nur die Schulden jenseits der im Maastricht-Vertrag festgelegten Grenze von sechzig Prozent des Bruttoinlandsprodukts heranzuziehen. Damit hätte der Fonds ein Volumen von circa 2,3 Billionen Euro und wäre groß genug, um Italien und Spanien vor spekulativen Angriffen schützen.

Um diese beiden Länder geht es vorrangig, da ihre Volkswirtschaften zu groß sind, um durch Hilfsmaßnahmen stabilisiert zu werden. Von den aktuellen Problemländern, also Griechenland, Portugal und Irland, dürfte keines an dem Pakt teilnehmen, um dessen Bonität nicht zu gefährden. Für diese Länder gibt es nach wie vor den Rettungsschirm ESM, der damit auch definitiv groß genug für seine Aufgabe ist.

Warum der Tilgungspakt effektiver wäre

Bei einem Schuldentilgungspakt kommt es nicht zu Transferzahlungen von Land zu Land – denn die Zahlungen an den Fonds dienen ausschließlich dazu, die jeweils von einem Land ausgelagerten eigenen Schulden zu tilgen und die darauf anfallenden Refinanzierungskosten zu zahlen. Jedes Land definiert einen nationalen Konsolidierungspfad, den es einhalten muss, wenn es dabei bleiben möchte.

In den ersten fünf Jahren begibt der Pakt gemeinsame Anleihen der Teilnehmer bis zur maximalen Höhe des Volumens des Pakts, damit entsteht ein europäischer Markt mit mehr Liquidität und Tiefe. Für die gemeinsamen Anleihen gibt es bei einem Zahlungsausfall eines der Teilnehmer eine vorrangige gemeinsame Haftung, was die Zinsen für Italien und Spanien senken dürfte.

Allein aus der Zinsersparnis wird ein Teil der Schulden getilgt werden können, womit diese Länder einen starken Anreiz bekommen, ihren jeweiligen Konsolidierungskurs fortzusetzen. Wichen sie davon ab, würde ihre Teilnahme ausgesetzt oder beendet und sie wären wieder allein den Mechanismen des Finanzmarkts ausgesetzt.

Risiken und Nebenwirkungen der Alternativen zum Pakt

Damit ist der Tilgungspakt ist effektiver als die ebenfalls denkbaren anderen Alternativen, allein schon wegen deren riskanten Nebenwirkungen:

Die Europäische Zentralbank könnte in deutlich höherem Umfang als bisher Staatsanleihen aufkaufen, was die Inflation antreibt und den Problemstaaten jeden Anreiz für solide Politik nimmt. Die bestehende Brandmauer, also EFSF und ESM könnte weiter aufgestockt werden, allerdings hat dies in den vergangenen zwei Jahren weder Öffentlichkeit noch Finanzmärkte überzeugt.

Das Auseinanderbrechen der Währungsunion und die Rückkehr zu nationalen Währungen, wie von Thilo Sarrazin vorgeschlagen, würde schließlich die Kosten aller bisherigen Maßnahmen übertreffen, die neue D-Mark würde stark aufwerten und unsere Exporte weltweit unerschwinglich machen.

Auch politisch wäre ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone fatal, da in diesem Fall eine politische Renationalisierung sicher folgen würde, mit allen negativen Konsequenzen.

Offiziell wird ein strenger Sparkurs verlangt

Keine dieser Alternativen wird derzeit praktiziert, auch die Vorschläge für Euro-Bonds oder einen Schuldentilgungspakt werden abgelehnt. Stattdessen wird offiziell ein strenger Sparkurs verlangt, mit dem im Rest Europas vor allem Deutschland identifiziert wird. Gleichzeitig aber flutet die EZB die Märkte mit Geld. Auch diese Politik fördert die Inflationsgefahr, zudem wird die Entstehung neuer Preisblasen an den Kapital- und Rohstoffmärkten umso wahrscheinlicher, je mehr Geld in den Markt gepumpt wird.

Dennoch wird dieses Vorgehen stillschweigend hingenommen, weil auch in Berlin jedermann klar ist, dass es ohne diese Erleichterungen ein Zusammenbruch des Interbankenmarktes und damit der Kreditversorgung für Betriebe in ganz Europa unausweichlich geworden wäre.

Die Vorteile des Schuldentilgungspakts liegen dagegen auf der Hand:

Anders als bei Euro-Bonds werden keine neuen Schulden gemacht, sondern alte getilgt. Er wäre mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Euro-Stabilisierung vereinbar – denn die gemeinsame Haftung ist zeitlich und dem Umfang nach begrenzt und unterliegt parlamentarischer Zustimmung.

Europapolitisch tritt Verlässlichkeit an die Stelle kurzatmiger Politik mit immer neuen Rettungsschirmen und immer neuer Frustration. Die Anleger hätten eine Möglichkeit, in ein vertrauenswürdiges Papier zu investieren zu, bei angemessenen Zinsen für beide Seiten.
Der Pakt kann sofort abgeschlossen werden, da er ein zwischenstaatliches Abkommen ist, bedarf es keiner Änderung der europäischen Verträge, was bekanntlich zu lange dauern würde.
Weil der Pakt als zwischenstaatliches Abkommen außerhalb des Europarechts steht, widerspricht er auch nicht dem Bail-out-Verbot, wie manche meinen.

Mit einem solchen Vorschlag würde Deutschland sich wieder als Partner für eine Lösung in der internationalen Politik positionieren, anstatt als Teil des Problems gesehen zu werden. Es ist Zeit, den Pakt zu schließen.

Quelle:
Spiegel online

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