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Deutsch als Arbeitssprache in der EU

positionen

I. Verkehrssprachen

Die Entwicklung und Benutzung internationaler Verkehrssprachen ist so alt wie die Menschheit. War dies in der Oikumene der Frühantike Griechisch, setzte sich anschließend für viele Jahrhunderte das Lateinische durch, sowohl im Römischen wie auch in vielen anderen Reichen in Europa. Ohne die Verkehrssprache Latein gäbe es den Kulturraum Europa nicht. In der frühen Neuzeit etablierte sich Französisch als die Sprache von Regierung und Oberschicht, Friedrich II. der Große und Voltaire verständigten sich auf diese Weise. Seit einigen Jahrzehnten ist Englisch die internationale Verkehrssprache, die sich auf so unterschiedlichen Gebieten wie der Luftfahrt, dem Internet und der Chemie durchgesetzt hat. Unterhalb der internationalen Verkehrssprachen gibt es regionale Verkehrssprachen, wie Französisch in Westafrika, Deutsch in Teilen Mittel- und Osteuropas, Spanisch in Lateinamerika und Russisch in den Ländern auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

Die Existenz einer internationalen Verkehrssprache wird oft mit politischer Vorherrschaft ihres Stammlandes gleichgesetzt, meist zu Recht. Auf Athen und den Attischen Seebund folgte das Römische Reich, Frankreich war unter Ludwig XIV die Hegemonialmacht Europas und seit ihrem Eintritt in den Ersten Weltkrieg, mehr noch seit 1945 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 sind die USA politisch das wichtigste Land der Welt.

Genau so oft wie die Vermutung politischer Hegemonie wird Angst vor kultureller Dominanz formuliert. Diese Vermutung ist jedoch immer dann unbegründet, wenn die Verkehrssprache nicht zum Zweck politisch-kultureller Dominanz missbraucht wird, wie das beim Russischen in der ehemaligen Sowjetunion, beim Kastilischen unter Franco oder beim Türkischen gegenüber den Kurden der Fall war. Für das Englische unserer Tage gilt dies nicht, genauso wenig wie es für das Französisch der frühen Neuzeit galt. Als Friedrich und Voltaire auf Französisch korrespondierten, schuf Bach seine Kantaten auf Deutsch. Mozart schrieb seine Opern erst auf Italienisch, einer Art sektoriellen Verkehrssprache für diese Musiksparte, dann aber auch auf Deutsch – die Zauberflöte entstand, als man an allen Höfen nach wie vor selbstverständlich nur Französisch sprach und schrieb. Auch in der Neuzeit hat sich daran nichts geändert: Ihre Literaturnobelpreise erhielten Heinrich Böll und Günter Grass zu einer Zeit, als Englisch längst etablierte Verkehrssprache war.

Das Englische als internationale Verkehrssprache unserer Tage beeinflusst zwar andere Kulturen, aber nicht durch Zwang, sondern durch Verbreitung und lässt nationalen Kulturen jeden gewünschten Entfaltungsraum. Englisch ist auch nicht erst seit einigen Jahren international dominant, durch IT-Revolution und Globalisierung ist dies aber erst vor Kurzem allgemein deutlich geworden.

II. Die Rechtslage in der EU

Das Prinzip der Vielsprachigkeit kommt in der Regelung der Artikel 314 EGV und 53 EUV zum Ausdruck, die besagen, dass grundsätzlich die Vertragstexte in allen derzeit 23 Vertragssprachen gleich verbindlich sind.

Hinsichtlich der nach außen gerichteten Amtssprachen gilt ebenfalls der Grundsatz der Gleichberechtigung. Alle offiziellen Dokumente (Rechtstexte, amtlicher Außenverkehr der EU-Institutionen und das Amtsblatt) müssen in alle 23 Sprachen übersetzt werden, da den EU-Bürgern das sie betreffende Recht in ihrer jeweiligen Sprache zugänglich sein muss. Die Mitgliedstaaten oder einzelne EU-Bürger können im Schriftverkehr mit den Organen der EU eine der Amtssprachen wählen und die Institution muss in derselben Sprache antworten. Die Institutionen der EU halten sich an diese Vorschriften, so wird im Europäischen Parlament zum Beispiel nur dann über einen Text abgestimmt, wenn dieser in allen Arbeitssprachen verfügbar ist.

Davon zu unterscheiden ist der Umgang mit den verschiedenen Sprachen im internen Geschäftsablauf bzw. beim Abfassen der Arbeitsdokumente. Für den Gebrauch der Arbeitssprachen können die Organe in ihrer Geschäftsordnung festlegen, wie sie die Sprachenfrage im Einzelnen regeln wollen. In der Kommission sind die Arbeitssprachen Englisch, Französisch und Deutsch, im Rat wird ad hoc entschieden, in welche Sprachen aktiv bzw. passiv gedolmetscht wird; in der GASP sind nur Englisch und Französisch Arbeitssprachen. Im Europäischen Parlament wird in allen formellen Sitzungen in alle potenziell erforderlichen Sprachen gedolmetscht; in informellen Besprechungen und Verhandlungen wird zumeist Englisch, seltener Französisch oder Deutsch gesprochen.

Die Vielsprachigkeit ist, trotz erheblichen personellen und finanziellen Aufwands, unverzichtbar in einem Europa, dessen kulturelle Vielfalt durch die Einheit nicht beseitigt werden soll und das die Eigenständigkeit auch kleiner Mitgliedstaaten anerkennt.

III. Die Praxis in der EU

In der EU hat sich die Lage seit der Osterweiterung in den letzten Jahren auf geradezu paradoxe Weise geändert. Lagen vor zehn Jahren noch Englisch und Französisch ungefähr gleichauf, so ist heute das Englische weit enteilt. Der Grund liegt auf der Hand: Während für viele Beamte aus den Beitrittsstaaten Mittel- und Osteuropas Englisch die erste Fremdsprache ist, ist für die meisten von ihnen wiederum Deutsch ihre zweite Fremdsprache. Für viele ist es sogar die erste Fremdsprache. Französisch rangiert auf Rang drei, wenn es überhaupt beherrscht wird. In informellen Besprechungen ohne Übersetzung beherrschen daher die Verhandlungspartner insgesamt zwar Deutsch, Englisch und Französisch, nur das Englische aber beherrscht jeder. Damit hat Deutsch gegenüber Französisch erheblich an Rang gewonnen, beide gemeinsam aber gegenüber dem Englischen weiter verloren.

Sowohl in der externen wie auch in der internen Kommunikation der EU-Organe bestehen in der Praxis teilweise erhebliche Abweichungen vom Prinzip der Gleichberechtigung aller 23 Amts- und Arbeitssprachen. Englisch dominiert als Arbeitssprache in allen Organen, gefolgt von Französisch und Deutsch.

Problematisch aus deutscher Sicht ist, dass nur sehr wenige EU-Dokumente auf Deutsch verfasst werden. Wichtige Dokumente liegen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung zwar in allen Sprachen, in der Entstehungsphase oft aber nur auf Englisch und oder Französisch vor. Dadurch ergibt sich das Problem der Einflussnahme, insbesondere was Handlungen der Kommission und des Ministerrats anbelangt.

Durch die bevorzugte Verwendung des Sprachenpaares Englisch-Französisch, z.B. bei der Erstellung von Wirtschaftsdatenbanken, bei Ausschreibungen und generell in den Internetauftritten der EU sind Verhandlungsführer und generell die deutsche Wirtschaft, insbesondere der Mittelstand, benachteiligt. Dies gilt für Angehörige aller anderen Sprachfamilien außer Englisch und Französisch (Spanisch, Italienisch, Polnisch etc.), allerdings in gleicher Weise, die Benachteiligung für Deutsch bezieht sich daher nur auf diese beiden Sprachräume.

IV. Die FDP im Europäischen Parlament und die FDP-Bundestagsfraktion

– sieht in der Sprachenpolitik einen wichtigen Aspekt der Kulturpolitik

– setzt sich aktiv dafür ein, dass die Stellung der deutschen Sprache in den Institutionen der Europäischen Union besser berücksichtigt wird.

– fordert die verstärkte Berücksichtigung des Deutschen in den Internetauftritten der EU-Institutionen

– fordert insbesondere die Verwendung der deutschen Sprache bei den ins Netz gestellten Ausschreibungen für die Wirtschaft, so dass diese Informationen grundsätzlich bereits bei der Veröffentlichung in den drei Arbeitssprachen der Kommission zugänglich sind.

– fordert die Kommission auf, in die Erarbeitung der neuen Strategie zur Mehrsprachigkeit Reformüberlegungen der bisherigen Sprachenregelung in der EU einzubeziehen und entsprechende Überlegungen bei den Mitgliedsstaaten und beim Rat zu fördern.

– fordert die Übernahme des Sprachenregimes der Kommission für den künftigen Europäischen Auswärtigen Dienst;

– fordert die Kommission auf, alle entscheidungsrelevanten Texte, die dem Deutschen Bundestag zur Beratung und/oder Entscheidung zugeleitet werden, auf Deutsch zu übermitteln;

– fordert Bundes- und Landesregierungen bei der Einstellung dazu auf, verhandlungssicheres Englisch als Einstellungsvoraussetzung zu verlangen, insbesondere im höheren, auf jeden Fall aber im ministerialen Dienst; verhandlungssichere Kenntnisse von Französisch können an die Stelle von verhandlungssicherem Englisch treten.

– fordert Bundes- und Landesregierungen auf, in den Stellenplänen ausreichend Plätze für „entsandte nationale Experten“ in den europäischen Institutionen einzuplanen; Deutsche in den europäischen Institutionen sind die beste Politik für Deutsch in den europäischen Institutionen;

– fordert Bundes- und Landesregierungen auf, einen regelmäßigen Personalaustausch mit anderen EU-Mitgliedstaaten oder den Institutionen der EU selber durchzuführen oder diesen erheblich zu erweitern und zu verstetigen; eine mindestens einjährige Teilnahme an einem solchen Programm soll zur Aufstiegvoraussetzung in die B-Besoldung gemacht werden.

– fordert Bundes- und Landesregierungen auf, ihrerseits ausreichend Plätze für Austauschpersonal aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder den Institutionen der EU bereit zu halten;

– spricht sich für das Erlernen von Englisch ab dem Kindergarten und einer weiteren Fremdsprache noch in der Grundschule aus. In diesem Zusammenhang sind Bildungs- und Betreuungsangebote im Kitabereich auszubauen und das pädagogische Personal zu qualifizieren.

– unterstützt das Engagement von deutschen Auslandsschulen und Goethe-Instituten bei der Vermittlung von deutschen Sprachkenntnissen im europäischen Ausland. Zudem wird sich für die Stärkung und Verbreitung des Fremdsprachenunterrichts „Deutsch“ an Schulen in den Ländern der Europäischen Union ausgesprochen.

– unterstützt Rat und Kommission in dem Ziel, dass langfristig alle Bürger/innen neben ihrer Muttersprache über praktische Kenntnisse in zwei weiteren Sprachen verfügen.

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