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Energie für Europa – aber sicher

positionen

Nach Fukushima muss die Sicherheit von Atomkraftwerken neu bewertet und die Suche nach Alternativen beschleunigt werden.

Die Vorfälle im japanischen Atomkraftwerk Fukushima müssen zu einer entscheidenden Wegmarke in der Energiepolitik der FDP werden. Wir müssen eine überzeugende Antwort auf die Frage finden, inwieweit eine Technik, deren grundsätzliche Beherrschbarkeit in allen Problemlagen mit einem Fragezeichen versehen wurde, noch Zukunft hat. Auch die Endlagerfrage ist noch immer nicht befriedigend beantwortet. Für die FDP ist die Kernkraft eine zeitlich befristete Brückentechnologie bis zu ihrem endgültigen Auslaufen, das hat das Bundespräsidium der FDP in einem Beschluss am 14. März 2011 richtigerweise deutlich gemacht. Der Umbau hin zu erneuerbarer Energie kann aber nur als europäische Lösung nachhaltig gelingen. Auch der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie muss langfristig als europäischer Konsens durchgeführt werden. Beide Strategien müssen zusammengeführt werden und könnten zu einem Einstieg in eine Europäische Energieunion führen. Dies könnte die europäische Integration weiter voranbringen, wie einst die Schaffung der gemeinsamen Währung. Unsere Leitlinien lauten:

1. EU-Kompetenz bei der Sicherheit von Atomkraftwerken auf die EU übertragen: Die FDP fordert, dass Sicherheitsvorgaben im Energiebereich unbedingt europäisiert werden müssen. Es hat sich in der Vergangenheit erwiesen, dass Problemlagen mit europäischer Dimension am besten mit der Gemeinschaftsmethode geregelt werden. Deshalb sollten endlich weitreichende Kompetenzen der EU in Hinblick auf die Atomsicherheit geschaffen werden. Nur so entstehen einheitliche Standards. Sollte hierzu eine Änderung bzw. Erweiterung des Euratom-Vertrags nötig sein, muss dies unverzüglich geprüft werden. Im Einzelfall könnte es zielführender sein, den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu modifizieren. Kommission und Rat müssen dies zeitnah prüfen. Diese Vertragsänderung sollte eine sogenannte Europäische Energieunion begründen. Die notwendige Vertragsänderung dürfte kein Hindernis sein; für die Einführung des erweiterten Stabilitätspaktes ist eine Vertragsergänzung ohnehin nötig.

2. ‘Stresstests’: Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen “Stresstests” für europäische Atomkraftwerke, die am 25. März 2011 auf dem EU-Gipfel angenommen wurden, sind ein wichtiger Schritt für mehr Sicherheit in Europa. Erdbebensicherheit, mögliche Terroranschläge, Flugzeugabstürze, Reaktortyp, Kühlsysteme, Notstromaggregate und Stromausfallszenarien sowie die Lagerung von Brennstäben müssen überprüft werden. Wir fordern, dass sichergestellt wird, dass externe Prüfer nationalstaatliche Prüfungsstellen flankieren.

3. Atomkraftwerke in Erdbeben- und Tsunamigebieten in Frage stellen: Als unmittelbare Konsequenz der Stresstests dürfen konsequente Stilllegungen von erdbeben- und tsunamigefährdeten Atomkraftwerken kein Tabuthema mehr sein. Eventuell geplante Atomkraftwerksprojekte, die in erdbebengefährdeten Gebieten liegen, müssen grundsätzlich in Frage gestellt werden. Eine Gegend ist dann als “erdbebengefährdet” anzusehen, wenn Tektonik, geologische Schichtung sowie aufgezeichnete Geschichte erkennen lassen, dass es in der Vergangenheit Erdbeben gab oder diese nicht mit einer signifikanten Wahrscheinlichkeit in der Zukunft auszuschließen sind. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) sollte vergleichbare Initiativen global ergreifen.

4. Stillgelegte Atomkraftwerke nachhaltig kompensieren: Die Bundesregierung hat angekündigt, einige deutsche Atomkraftwerke stillzulegen. Dies erfordert aber eine klare Strategie, wie diese Energiequellen nachhaltig kompensiert werden können. Die FDP setzt sich entschieden für den Umbau der Energieversorgung hin zum Zeitalter der erneuerbaren Energien ein. Dies muss aber realistisch und rational geplant und umgesetzt werden. Als Konsequenz aus dem notwendigen Umbau in ein Zeitalter der erneuerbaren Energien ist sicherzustellen, dass die Strompreise für den Verbraucher zumutbar bleiben. Dabei ist abzuwägen, ob die bereits formulierten CO2-Klimaziele in der jetzt veränderten Lage eingehalten werden können. Unter Umständen sollten konventionelle Energieträger eine kompensatorische Rolle einnehmen können. Wir brauchen deshalb innerhalb der Europäischen Union eine Strategie mit deutlich definierten Zwischenschritten, mit der gleichzeitig die abgeschalteten Atomkraftwerke nachhaltig kompensiert werden können. Dabei müssen die Themen Energieeffizienz, Energieinfrastruktur sowie die Schaffung von Speicherkapazitäten vorrangig behandelt werden. Dezentrale erneuerbare Energien sollten nachhaltig unterstützt werden.

5. Energiepartnerschaft mit Nordafrika: Die erfolgreichen Freiheitsbewegungen in einigen Ländern Nordafrikas stellen die EU vor neue Chancen. Eine marktwirtschaftliche Öffnung könnte nicht nur wirtschaftliches Wachstum in diesen Ländern erwirken, sondern auch Europas Abhängigkeit von der Kernenergie beenden. Solarenergie kann bei entsprechender Infrastruktur eine nachhaltige Energiekompensation für Europa darstellen. Die FDP fordert die EU auf, die Öffnungsstrategie einiger nordafrikanischer Staaten mit der EU-Energiestrategie zu verknüpfen.

6. Europäische Initiative braucht globale Ergänzung: Europa muss eine Vorreiterrolle in Hinblick auf den notwendigen Abschied von der Brückentechnologie Atomkraft einnehmen. Radioaktiver Niederschlag macht nicht vor Landesgrenzen halt. Die EU sollte eine Strategie entwickeln, wie auch jenseits der unmittelbaren Unionsgrenzen mehr Reaktorsicherheit sichergestellt werden kann. Die EU und die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) müssen unverzüglich auf höchster Ebene Gespräche aufnehmen. Die EU deshalb innerhalb der G8 und dann der G20 eine Initiative für einen globalen Bann von Atomkraftwerken in Erdbebengebieten initiieren, die zu einer verbindlichen UN-Konvention führt. Grundsätzlich sollte die europäische Initiative dazu führen, dass die Atomkraft international als zeitlich begrenzte Brückentechnologie definiert wird.

7. EU-Binnenmarkt für Energie endlich vollenden: Der EU-Binnenmarkt für Energie harrt weiter seiner abschließenden Vollendung. Es mangelt an den grundlegenden Dingen wie etwa gemeinsamen Koppelstellen. Die EU-Mitgliedstaaten verfolgen eigene Agenden, ohne Abstimmung mit den europäischen Nachbarn. So gehen wertvolle Synergien verloren. Entsprechende Vertragsverletzungsverfahren müssen als Ultima Ratio konsequent eingeleitet und auch durchgesetzt werden. Notwendige Investitionen in die Infrastruktur müssen unverzüglich getätigt werden; durch Finanzierungsprojekte wie beispielsweise projektbezogene EIB-Bonds könnte innovativ und marktwirtschaftlich das postnukleare Zeitalter erreicht werden.

8. Debatte versachlichen – Konstruktiver Dialog mit allen Beteiligten: Das Zeitalter der erneuerbaren Energien kann nur im konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten und ohne Ausgrenzung erreicht werden. Eine “Dagegen-Haltung” hilft niemandem weiter. Wer mehr erneuerbare Energien und weniger Atomkraft will, darf sich nicht gegen den Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur wenden. Hochgeschwindigkeitstrassen, Windräder, Energiespeicheranlagen oder Solarparks werden in der deutschen Landschaft häufiger werden – und auch näher an Gemeinden heranrücken.

Die FDP im Europäischen Parlament fordert, jetzt die Weichen für mehr Atomsicherheit sowie für ein rascheres Erreichen des Zeitalters erneuerbarer Energien zu stellen. Mit den skizzierten Etappen kann der Zeitplan wesentlich verkürzt werden.

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