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Europa weiter bringen – Thesen der FDP im Europäischen Parlament

positionen

Europa hat die richtigen Lehren aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts gezogen: fairer Interessenausgleich statt gegenseitiger Übervorteilung, friedliche Streitbeilegung statt Krieg, soziale Marktwirtschaft statt sozialistischer Planwirtschaft, bürgerliche Freiheiten statt staatlicher Bespitzelung und gesellschaftlicher Zusammenhalt statt sozialer Kälte – für all das steht die Europäische Union. Dennoch haben mehr und mehr Bürger das Gefühl, dass die EU den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen ist und mit den falschen Rezepten arbeitet. Eine Sehnsucht nach der Souveränität der Mitgliedstaaten als letztem Ordnungs- und Entscheidungsrahmen, wie einst im 19. Jahrhundert, breitet sich aus, befeuert vor allem durch die aktuelle Schuldenkrise einiger EU-Mitgliedstaaten.

Richtig ist: Der Nationalstaat allein ist den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen. Richtig ist aber auch: Das Europa des Vertrages von Lissabon ist auf halbem Wege stehen geblieben – das hat die Krise um den Euro gezeigt. Eine wirksame gegenseitige Überwachung der Mitgliedstaaten, moderiert und kontrolliert von der Europäischen Kommission, sowie gemeinsame europäische Regeln zur Überwachung der Finanzmärkte, verabschiedet vom Europäischen Parlament, hätten eine solche Krise gar nicht erst entstehen lassen. Diese Krise geht von den Mitgliedstaaten aus, nicht von der EU, ihre Lösung aber muss europäisch sein, weil keiner der betroffenen Mitgliedstaaten die Kraft hat, sich alleine aus dem Schuldensumpf zu befreien. In dieser Krise liegt daher auch eine Chance, die EU sinnvoll weiter zu entwickeln. Wir wollen diese Chance nutzen, denn für die FDP sind soziale Marktwirtschaft, starke Bürgerrechte und die europäische Einigung identitätsstiftend.
Für die EU geht es darum, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Mit folgenden Punkten wird Europa auch weiterhin ein Erfolgsrezept bleiben:

Die gemeinsame Währung stabilisieren

Europa braucht den Euro: Ein Scheitern des Euros hätte verhängnisvolle Auswirkungen. Das Auseinanderbrechen der Eurozone würde die Finanz- und Wirtschaftskrise in den Schatten stellen und zu einem drastischen Rückgang der Wirtschaftsleistung führen.

Gemeinsames Wirtschaften braucht Abstimmung: Eine gemeinsame Währung verpflichtet nicht nur zu solider Haushaltspolitik, sondern auch zu größerer Abstimmung und Koordination der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken. Das „Europäische Semester,“ in dem die Kommission die Haushaltsentwürfe aller Mitglieder überprüft, ist ein erster Schritt in diese Richtung.

Dem Stabilitäts- und Wachstumspakt Zähne verleihen – Wir brauchen einen automatisierten Sanktionsmechanismus, der unverantwortliches Haushalten bestraft, bevor es zu spät ist – nur Automatismen fern von politischen Entscheidungen schaffen wirkliche Haushaltsdisziplin.

Sanktionen – präventiv, intelligent und effizient: Sanktionen müssen früher ansetzen als bisher und bei Verletzung der Regeln kontinuierlich erhöht werden. Bei schwerem, wiederholtem oder kontinuierlichem Verstoß gegen die Kriterien kann mit dem Entzug von zukünftigen Mitteln aus den verschiedenen EU-Fonds gedroht werden.
Verbesserung des haushaltspolitischen Rahmens in den Mitgliedstaaten:. Haushaltspolitische Leitplanken müssen durch nationale Gesetze eingeführt werden. Das gilt für Bilanzierung, Statistiken und alle sonstigen Vorgänge, die mit Haushaltsplanung zu tun haben. Zudem sollte eine Schuldenbremse in allen 27 Mitgliedstaaten, zumindest aber in den Eurostaaten, eingeführt werden.

Europäischer Währungsfonds und geordnete Insolvenz: Auch das beste Regelwerk kann nicht jede Krise verhindern, deshalb ist ein Europäischer Währungsfonds einzurichten. Dieser soll auf dem zeitlich befristeten Rettungsschirm aufbauen und Ländern, die sich am Markt nicht mehr finanzieren können, günstige Kredite zur Verfügung zu stellen, sofern das Land ein Reformprogramm durchführt, dass in Absprache mit dem EWF, der Kommission und der EZB erstellet wurde. Falls ein Land trotz dieser Liquiditätsspritzen in die Insolvenz gleitet, soll der EWF zusammen mit Kommission und EZB ein geordnetes Insolvenzverfahren unter Hinzuziehung der Gläubiger durchführen.

Ein sicherer Euro braucht eine unabhängige Zentralbank: Der Abbau von Staatsschulden kann nicht durch die Notenpresse geschehen, sondern muss durch verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik erreicht werden. Es war deshalb falsch, dass die Europäische Zentralbank im Mai 2010 eingewilligt hat, Staatsanleihen überschuldeter Staaten aufzukaufen.

Verbesserung der europäischen Finanzaufsicht: Im Rahmen der Überwachung der makroökonomischen Ungleichgewichte muss die enge Zusammenarbeit zwischen Kommission und dem neuen Europäischen Ausschuss für Systemrisiken sichergestellt werden, um Ungleichgewichte vor allem in Form von Spekulationsblasen rechtzeitig zu verhindern.

Europäisches System zur Bankenabwicklung: Die Krise hat gezeigt, dass die Probleme eines Finanzinstitutes schnell auf den gesamten Bankensektor übergreifen können. Um in der Zukunft eine solche Ansteckung zu verhindern, müssen die Mitgliedstaaten einen rechtlichen Rahmen für den Umgang mit angeschlagenen nationalen Banken errichten; auf europäischer Ebene brauchen wir einen solchen rechtlichen Rahmen für europaweit tätige Finanzinstitute.

Neue Wirtschaftsdynamik erzeugen

Europa ist Deutschlands Zukunft: Deutschland ist als rohstoffarmes Land auf die Einbindung in den europäischen Markt angewiesen und hat davon profitiert. Wir haben ein Interesse an wirtschaftlich gesunden Nachbarn, da diese unsere größten Handelspartner sind. Ihre Zahlungsunfähigkeit würde Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland gefährden.

Binnenmarkt weiterentwickeln: Über 60% unserer Ausfuhren gehen in den europäischen Binnenmarkt, dessen Potential in vielen Bereichen jedoch nicht voll ausgenutzt wird. Hier gilt es, Fortschritte zu erzielen, um Europas Produktivität und Konkurrenzfähigkeit weiter zu stärken – denn die Zukunft des Binnenmarktes entscheidet auch über die Zukunft Europas. Hierzu gehört zuvorderst die Vollendung des Binnenmarktes in den Bereichen Energie, Telekommunikation, Transport und Dienstleistungen.

EU-Ausgaben nachhaltig gestalten: Über 80% der EU-Ausgaben fließen in die gemeinsame Agrarpolitik oder in strukturpolitische Maßnahmen. Wir fordern, EU-Gelder verstärkt in andere Bereiche, wie Bildung und Forschung oder die Weiterentwicklung des Binnenmarktes zu investieren. Die vorgesehenen Mittel aus dem Kohäsionsfonds werden zu oft falsch eingesetzt und zum Teil missbraucht, weil Mitgliedstaaten lax unter mangelhafter Aufsicht der EU-Kommission arbeiten. Hinzu kommt die schleppende Abrufung der Mittel, zumeist aufgrund fehlender bzw. eingeschränkter Leistungsfähigkeit der Regionalverwaltungen und fehlender kommunaler bzw. regionaler Entscheidungskompetenz.

Innenpolitik – Bürgerechte stärken

Bürgerrechte wahren: Ob bei der Vorratsdatenspeicherung oder bei dem SWIFT-Abkommen mit den USA, die FDP im EP setzt sich für die Wahrung freiheitlicher Bürgerrechte ein. Auch in der Zukunft werden wir genau darauf achten, dass europäische Politik neben der Sicherheit auch der Freiheit und Privatsphäre der EU-Bürger Rechnung trägt.

Europäische Grundwerte verteidigen: In der EU müssen europäische Grundrechte immer wieder durchgesetzt oder entschieden verteidigt werden – sei es die Pressefreiheit in Ungarn oder Italien, das Diskriminierungsverbot in Frankreich oder Litauen oder die Trennung von Kirche und Staat in Irland. In diesen und anderen Fällen muss die EU deutlich machen, dass alle Mitgliedstaaten in eine Union eingetreten sind, deren Grundlage der Respekt vor den gemeinsamen Werten ist.

Sicherheit nach innen – Wege zu einer europäischen Polizei: Wenn Europas Bürger so europäisch denken würden wie Kriminelle schon heute handeln, dann wäre es um den europäischen Patriotismus gut bestellt. EUROPOL muss zu einer Art europäischen FBI auf einer eigenen europäischen Rechtsgrundlage ausgebaut werden.

Eine Außenpolitik aus einem Guss

Mit einer Stimme in der Welt sprechen: Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) ist ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche europäische Außenpolitik. Doch dürfen wir uns hiermit nicht begnügen. Wir brauchen eine starke und handlungsfähige Union. Europa muss mit einer Stimme sprechen, damit es nicht noch mehr Einfluss auf das Weltgeschehen verliert.

Modernes Krisenmanagement: Der EAD vereint unter seinem Dach diplomatische, entwicklungs- und sicherheitspolitische Kompetenz. Bei der Konfliktprävention und im Krisenmanagement kommt es darauf an, dass diese drei Komponenten gut zusammen arbeiten, diese Chance muss der EAD nutzen.

Demokratie und Menschenrechte fördern: Die EU ist ein Zusammenschluss demokratischer Rechtsstaaten und hat als solche anders als viele ihrer Mitglieder keine belastende Geschichte durch Kriege oder Kolonialismus – sie hat daher eine besonders hohe Glaubwürdigkeit, wenn es gilt, Menschenrechte und demokratische Prozesse zu fördern. Hier muss ein Schwerpunkt der EU-Außenpolitik liegen.

Sicherheit nach außen – Wege zu einer europäischen Freiwilligenarmee: Die Aufrechterhaltung nationaler Armeen in der jetzt bestehenden Größenordnung ist durch die Sicherheitslage in Europa und den sinkenden Personalbedarf für “intelligente” Waffensysteme nicht mehr zu rechtfertigen. Wir brauchen deshalb eine europäische Freiwilligenarmee.

Europa weiterentwickeln – Vertrauen schaffen

Durch Europäischen Patriotismus zu neuer Stärke finden: In einer globalisierten Welt können wir Europäer nur durch ein klares Bekenntnis zu Europa und unseren europäischen Werten wie Freiheit, Menschlichkeit und sozialer Marktwirtschaft bestehen. Europa braucht das Bekenntnis zu einem Europäischen Patriotismus, der die Liebe zu Land und Heimat ergänzen, aber nicht ersetzen soll.

Mehr Demokratie wagen – Europäische Parteien aufwerten: Die europäischen Parteien müssen weiterentwickelt werden und in jeder Europawahl mit einem eigenen Kandidaten zum Kommissionspräsidenten antreten. Dies würde die Europawahlen aufwerten – je mehr die Bürger in Europa den Kurs mitbestimmen können, desto größer wird die Akzeptanz der EU.

EU muss sich auf Kernkompetenzen konzentrieren: Europäische Gesetzgebung darf sich nicht auf wackelige Rechtsgrundlagen stützen. Daher müssen die Kompetenzabgrenzungen zwischen der EU und den Mitgliedschaften geschärft werden. Die EU sollte sich stärker auf das Wesentliche konzentrieren und Regelungsversuche in den Bereichen unterlassen, die die Mitgliedstaaten, ihre Regionen und Kommunen besser erledigen können.

Quo Vadis Europa?

Wir dürfen uns mit dem Status Quo nicht begnügen, sondern müssen fortwährend nach neuen und innovativen Lösungsansätzen suchen. Dies ist die Grundvoraussetzung dafür, Wohlstand und Einfluss unseres Kontinents auch in der Zukunft zu vermehren. Die Europäer müssen sich klar darüber werden, wie sie Aufbau und Zusammenarbeit in der EU der Zukunft gestalten wollen. Brauchen wir nicht einen europäischen Bundesstaat, der am Schluss eines immer tieferen Integrationsprozesses steht? Heute stößt die EU an Grenzen ihrer Arbeitsfähigkeit – brauchen wir nicht in Zukunft ein System abgestufter Mitgliedschaft, um Zusammenhalt und Effizienz der EU zu sichern?
Die FDP im Europaparlament setzt sich dafür ein, dass Europa nicht stehenbleibt – so wie es die Präambeln von Grundgesetz und Lissabonner Vertrag sagen: mit der Entschlossenheit, den Prozess der Schaffung einer immer engeren Union der Völker Europas weiterzuführen, damit wir in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt dienen können.

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