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Regulierung der ROAMING-Preise im Mobilfunk

positionen

1. Hintergrund

Die Europäische Kommission hat bereits seit einigen Jahren darauf hingewiesen, dass die Roaming-Preise im Mobilfunk, also die Preise, die für ein Telefonat eines Kunden im ausländischen Netz zu zahlen sind, ungewöhnlich hoch seien. Auch seien trotz fallender Kosten die Roaming-Preise über Jahre recht stabil geblieben. Die Kommission hatte die Industrie mehrfach aufgefordert, die Roaming-Preise zu senken. Im Spätsommer 2006 hat die Europäische Kommission unter Führung von Kommissarin Reding einen Vorschlag für die Regulierung der Roaming-Preise vorgelegt.

2. Bewertung des Vorschlages

Die FDP sieht in dem Vorschlag der Kommission in der vorliegenden Fassung einen intensiven Markteingriff mit weitreichenden Folgen für die europäische Telekommunikationsindustrie. Der hinter dieser Maßnahmen stehende Gedanke – nämlich Roaming-Preise europaweit zu senken – stößt zwar auf die Zustimmung der FDP, jedoch ist der gewählte Ansatz der Kommission, Preisobergrenzen im Endkundensegment gesetzlich vorzugeben, falsch. Die Kommission berücksichtigt in ihrem Vorschlag nicht, dass der Endkundenpreis sich aus zahlreichen Faktoren zusammensetzt. Wesentlich für die Preisgestaltung und -bildung sind a) der Großhandelspreis, b) fixe und variable Kosten der Unternehmen und c) die ermittelte Marge. Gegenwärtig bestimmt sich der Großhandelspreis, den Unternehmen für den Einkauf von Mobilfunkminuten im Ausland bezahlen müssen anhand des Kundenvolumens des Einkäufers, d.h. je mehr Kunden ein Unternehmen hat desto günstiger kann es Mobilfunkminuten im Ausland einkaufen. Die Festlegung einer Preisobergrenze ändert an dieser Tatsache nichts, sondern verschlechtert die Situation kleinerer Unternehmen deutlich, die dann einer zweifachen Belastung ausgesetzt wären: Höhere Großhandelspreise als andere Wettbewerber bei gleichzeitiger Senkung des Endkundenpreises. Letztendlich mündet der Vorschlag der Kommission in der vorliegenden Fassung zu einer politisch herbeigeführten Marktbereinigung im Telekommunikationssektor und zu einer Hemmung des Wettbewerbes.

3. Struktur des Verordnungsvorschlages

Die wichtigsten Artikel gliedern den Verordnungsentwurf:
Artikel 1 definiert die Ziele der Verordnung
Artikel 2 definiert die Begriffe
Artikel 3 enthält Regeln für die Regulierung der Großhandelspreise
Artikel 4 enthält Regeln für die Regulierung der Endkundenpreise für Roaminganrufe
Artikel 5 enthält eine Sunrise Clause, die den Startpunkt der Regulierung der Endkundenpreise für Roaminganrufe festsetzt
Artikel 6 enthält Regeln für die Endkundenpreise für die Annahme von Roaminganrufen

4. Großhandelspreise

Die Regulierung der Großhandelspreise ist zu begrüßen. Gegenwärtig bestimmt sich der Großhandelspreis nach dem Kundenvolumen, das das einkaufende Unternehmen aufzuweisen hat. Hieraus folgt, dass sich ein echter Wettbewerb um die besten und verbraucherfreundlichsten Produkte nicht entwickeln kann, wenn zu Beginn der Preisgestaltung ein Ungleichgewicht innerhalb der Telekommunikationsindustrie besteht. Die FDP begrüßt folglich den Ansatz, Großhandelspreise einheitlich zu
gestalten und somit einen echten Wettbewerb der Unternehmen zuzulassen.

5. Endkundenpreise für Roamingentgelte

Die Regulierung der Endkundenpreise ist grundsätzlich keine vertretbare Alternative oder Ergänzung zur Regulierung der Großhandelspreise. Allein unter dem Umstand, dass der durch die Regulierung der Großhandelspreise erzielte Einspareffekt nicht zum Großteil an den Endverbraucher weitergegeben wird, ist denkbar eine Regulierung des Endkundenpreises in Erwägung zu ziehen. Zu Recht kann aber angenommen werden, dass die Regulierung der Großhandelspreise dies überflüssig macht. Die Regulierung von Endkundenpreisen stellt einen sehr schweren Markteingriff dar. Dieser sollte nach Möglichkeit unterbleiben. Scharf zu kritisieren ist im Bereich der Endkundenregulierung besonders die 130% Schwelle. Regulierte Roaminganrufe sollen für den Endkunden nicht teurer sein als 130% des Großkundenentgeltes. Solche starre Preisvorgaben lehnen wir ab! Für eine Senkung der Referenzentgelte würden die Mobilfunkanbieter durch die statische Schwelle sogar noch bestraft. Für angenommene Roaming-Anrufe soll ebenfalls eine 130%-Schwelle gelten, die sich auf das durchschnittliche Zustellentgelt bezieht. Diese Regelung ist als kontraproduktiv abzulehnen. Auch hier werden die Unternehmen bestraft, die den Schnitt der Zustellentgelte durch eigene geringe Tarife absenken, während die hochpreisigen Anbieter vergleichsweise gut wegkommen. Eine solche Regelung ist absurd und viel zu statisch. Sollte es zu einer Endkundenpreisregulierung kommen, so muss ein flexibleres Instrument angestrebt werden zur Bestimmung des regulierten Preises.

6. Sunrise Clause

Die in Artikel 5 enthaltene Sunrise Clause ist grundsätzlich zu begrüßen. Es ist richtig, zunächst die Wirkung der Großhandelspreisregulierung abzuwarten. Allerdings ist der vorgeschlagene Zeitraum deutlich zu kurz bemessen. Mindestens 18 Monate sollten nach Beginn der Großhandelspreisregulierung vergangen sein, bevor eine Endkundenpreisregulierung erörtert werden könnte. Die Sunrise Clause muss aber konditioniert sein. Wenn erkennbar geworden ist, dass die Einspareffekte, die durch die Regulierung der Großhandelspreise entstanden sind, zum Großteil an den Endverbraucher weitergegeben worden sind, so ist auf die Regulierung der Endkundenpreise zu verzichten. Außerdem muss auch die Verpflichtung für angenommene Roaminganrufe aus Artikel 6 einbezogen werden.

7. Co- und Selbstregulierung

Sechs der wichtigsten europäischen Mobilfunkanbieter (darunter T-Mobile, TeliaSonera, TIM) haben einen so genannten “Code of Conduct” zur Handhabung des Roamingverkehrs beschlossen. Hierin haben die Mobilfunkanbieter sich bereits selbst Verpflichtungen hinsichtlich Transparenz und Verbraucherinformationen auferlegt. Diese Ansätze von Selbstregulierung sind zu unterstützen. Selbst- und Co-
Regulierung sind jederzeit einer Europäischen Verordnung vorzuziehen, wenn garantiert ist, dass so befriedigende Ergebnisse erzielt werden können. Die Europäische Mobilfunkindustrie hat der Kommission entsprechend weitgehende Vorschläge unterbreitet, die nun von der Kommission geprüft werden müssen und ggf. ersatzweise zu einer Verordnung angenommen werden sollten.

8. Sunset-Klausel

Ordnungspolitisch ist eine Preisregulierung nur vertretbar, wenn es das erklärte Ziel der Regulierung ist, einen selbstlaufenden Prozess zu etablieren. Im vorliegenden Fall kann es nur darum gehen, mit Hilfe der Großhandelspreisregulierung einen Knoten zu zerschlagen und eine Fehlfunktion des Marktes zu korrigieren. Die Regulierung sollte einer jährlichen Überprüfung unterzogen werden. Nach Erreichen der
Preissenkungsziele soll die Kommission die Aufhebung der Regulierung prüfen. In diesem Zusammenhang ist die Aufnahme einer Sunset Clause in den Verordnungsvorschlag unverzichtbar, die ein automatisches Auslaufen der Regulierung vorsieht und eine Verlängerung der Verordnung von der Zustimmung der Europäischen Institutionen abhängig macht.

9. “Deutscher Vorschlag”

Marktteilnehmer aus der Bundesrepublik Deutschland haben den Vorschlag in die Diskussion eingebracht, dem Entwurf der Kommission eingeschränkt zu folgen. Die Einschränkung liegt darin begründet, dass entsprechende Marktteilnehmer, unterstützt durch Wettbewerber anderer Mitgliedstaaten, ein wie von der Kommission vorgeschlagenes Tarifmodell im Bereich Roaming neben bestehenden Tarifen unterstützen könnten. Der wesentliche Unterschied an dem vorgelegten Vorschlag besteht darin, dass Mobilfunkbetreiber ihre bestehenden Tarifoptionen um eine Option erweitern müssen, die den Vorgaben der Kommission entspricht. Dieser Ansatz bringt zwei Vorteile mit: 1. Der Verbraucherschutz wird gewahrt und optimiert, da dem Kunden neben den bestehenden Tarifoptionen eine weitere, günstigere, zur Seite gestellt wird. 2. Die Umsetzung des Vorschlages ist ein Markteingriff mit deutlich geringerer Intensität, der bestehende Geschäftsmodelle weder eliminiert noch über die Maßen in die unternehmerische Freiheit eingreift. Für die FDP ist der Vorschlag, der aus der Mitte der Mobilfunkbetreiber vorgelegt worden ist, ein denkbarer Kompromiss.

10. Fazit

Die FDP sieht in dem Vorschlag der Kommission zuvorderst den Versuch der Kommission bei den europäischen Bürgern “zu punkten” und nicht einen ernsthaften Versuch, marktimmanente Probleme im Telekommunikationssektor ordnungspolitisch vernünftig zu lösen. Die FDP wird nicht der populistischen Versuchung erliegen das angestrebte Ziel mit den von der Kommission gewählten Mitteln zu rechtfertigen. Liberale Ordnungspolitik muss – bei aller Einigkeit mit der grundsätzlichen Zielsetzung des Kommissionsvorschlages – ein Funktionieren des Marktes erreichen und einen echten Wettbewerb unter den Marktteilnehmern entfachen. Die FDP sieht in der Regulierung des Großhandelspreises einen politischen Ansatz, der eine Verwirklichung dieser Zielsetzung ermöglicht. Gleiche Ausgangsbedingungen der Marktteilnehmer haben zur Folge, dass sich die besten Produkte und Geschäftsmodelle durchsetzen und nicht derjenige, der aus der Summe des Kundenvolumens einen Wettbewerbsvorteil durch Rabatte erzielt. Nach Auffassung der FDP besteht somit gegenwärtig nur Regelungsbedarf im Bereich der Großhandelspreise, um den bestmöglichen Effekt für die europäischen Verbraucher und eine damit verbundene signifikante Absenkung der Roaming-Preise zu erreichen. Allerdings sieht die FDP, dass die Telekommunikationsindustrie sich mit denkbaren Kompromissvorschlägen konstruktiv in die Diskussion einbringt. Ein tragfähiger Vorschlag aus dem Kreise der Betroffenen Industrie ist für die FDP ein gangbarer Weg und diskussionswürdig.

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