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Stabilität und Wachstum in Europa – Wege aus der Krise hin zu einem sicheren Euro

positionen

Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die in eine Staatsschuldenkrise mündete, hat die Schwächen der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) aufgezeigt. Es ist klar geworden, dass die WWU nur funktionieren kann, wenn eine verstärkte wirtschaftspolitische Zusammenarbeit zwischen den Ländern der Eurozone stattfindet und verhindert wird, dass die EU zur Haftungsunion wird. Eine solche verstärkte Zusammenarbeit basiert auf (1) einer besseren Abstimmung der Wirtschaftspolitik in der EU, (2) der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, (3) der Überwachung volkswirtschaftlicher Ungleichgewichte in der Union, (4) Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, (5) der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas, (6) der Gründung eines europäischen Währungsfonds, (7) der Verbesserung der europäischen Finanzaufsicht und (8) der Entwicklung eines europäischen Rahmens für die Abwicklung grenzüberschreitend tätiger Finanzinstitute.

1. Wirtschaftspolitischer Dialog

Die Mitgliedstaaten sollen durch eine Intensivierung des wirtschaftspolitischen Dialoges ihre Wirtschaftspolitik besser aufeinander abstimmen. Im Rahmen des sog. europäischen Semesters soll überprüft werden, ob die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten die Konvergenz- und Stabilitätskriterien beachtet, ihre Haushaltspolitik nachhaltig ist und sie ihre Reformprogramme umsetzen. Eine besondere Rolle spielt hier auch die Nachhaltigkeit der Rentensysteme in den Mitgliedstaaten.

2. Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) muss gestärkt werden und das Abgleiten der EU in eine Haftungsunion verhindert werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das Regelwerk des SWP zu schwach war, um die einzelnen Mitgliedstaaten zur Haushaltsdisziplin zu verpflichten und damit die Stabilität des Euro zu garantieren.

a. Staatsverschuldung

Dazu gehört zum einen, dass die Nachhaltigkeit der Staatsschulden der Mitgliedstaaten einen höheren Stellenwert erhält. Bisher lag das Augenmerk zu sehr auf den jährlichen Haushaltsdefiziten. Die Krise hat aber gezeigt, dass insbesondere Länder mit hohen Schuldenbergen in den Strudel der Krise gerissen werden und damit die gesamte Eurozone in Gefahr bringen. Deswegen muss neben dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auch ein Strafverfahren gegen Länder eingeleitet werden, deren Staatschulden jenseits der 60% des BIP liegen, bzw. deren Schulden sich nicht schnell genug auf höchstens 60% verringern. Bei der Entwicklung der Schulden müssen zukünftige Verpflichtungen, wie zum Beispiel die aus den Rentenversicherungen, miteinbezogen werden. Desweiteren sollte eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in allen 27 Mitgliedstaaten, zumindest aber in den Eurostaaten, eingeführt werden.

b. Sanktionen: präventiv, intelligent und effizient

Die bisherigen Sanktionen setzten zu spät im Prozess an und hatten aufgrund ihrer Höhe nur abschreckende Wirkung auf die Anwendung der Sanktionen, nicht auf die Nichteinhaltung des SWP. Sanktionen müssen früher ansetzen und bei Verletzung der Regeln kontinuierlich erhöht werden. Daraus folgt, dass schon ein Mitgliedstaat, der von seinen eigenen mittelfristigen haushaltspolitischen Zielvorgaben bedeutend abweicht ohne den SWP zu verletzen einer Sanktion unterliegt, in diesem Fall einer verzinsten Geldeinlage. Mitgliedstaaten, die die Defizit- oder Verschuldungskriterien des SWP verletzen, also sich in einem Defizitverfahren befinden, sollen als Sanktionen eine unverzinste Geldeinlage erbringen, die sich je nach Dauer und Schärfe des Verfahrens erhöht. Die Einlage kann auch in eine Strafzahlung umgewandelt werden. Bei schwerem, wiederholtem oder kontinuierlichem Verstoß gegen die Kriterien kann mit dem Entzug von zukünftigen Mitteln aus den verschiedenen EU-Fonds gedroht werden. Sanktionen sollten jedoch nur dann verhängt werden, falls ein Mitgliedstaat nichts Erfolgversprechendes unternimmt, um Defizite oder Schulden zu senken. Mitgliedstaaten, die Statistiken manipulieren oder Daten fälschen, müssen eine sofortige Strafzahlung leisten, die höher liegt als die Strafen bei Verletzung der SWP Kriterien. Liegt eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der Regeln des SWP durch einen Mitgliedstaat vor, so können die Länder der Eurozone in Analogie zu Artikel 7 EUV beschließen dem Mitgliedstaat Stimmrechte im Rat zu entziehen und als ultima ratio den Mitgliedstaat aus der Eurozone auszuschließen.

c. Automatismus

In der Vergangenheit war das Abstimmungsverfahren im Rat immer wieder Schuld daran, dass die Regeln nicht angewandt wurden. Mitgliedstaaten, die gegen den SWP verstoßen haben, war es ein Leichtes Verbündete zu finden, um Entscheidungen zu blockieren. Deswegen ist es unumgänglich, dass bei einer Verletzung der Regeln, der politische Ermessenspielraum diese Verletzung nicht anzuprangern auf ein Mindestmaß reduziert wird. Deshalb muss die Kommission die verschiedenen Verfahrenschritte einleiten und nicht der Rat. Hier soll das Prinzip der umgekehrten qualifizierten Mehrheitsentscheidung im Rat eingeführt werden. Um dieses notwendige Maß an Automatismus zu erreichen ist es notwendig die Artikel 121 (4) und 126 (6) AEUV dahingehend zu ändern, dass Empfehlungen der Kommission vom Rat nicht mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden, sondern nur mit qualifizierter Mehrheit abgelehnt werden können. Diese kleine Vertragsänderung soll im Zuge der Vertragsänderung des Art. 136 AEUV zur Errichtung des permanenten Krisenmechanismus vorgenommen werden.

d. Verbesserung des haushaltspolitischen Rahmens in den Mitgliedstaaten

Für das effiziente Funktionieren des SWP ist es jedoch nicht ausreichend, dass haushaltspolitische Ziele nur auf EU Ebene eingeführt werden. Diese müssen ebenfalls in nationale Regeln eingeführt werden, bzw. in nationalem Recht verankert werden. Das gilt für Bilanzierung, Statistiken, Prognosen, mittel- und langfristige haushaltspolitische Ziele, die Unabhängigkeit der Behörden, die diese Bereiche überwachen und alle sonstigen Vorgänge, die mit Haushaltsplanung zu tun haben.

3. Makroökonomische Beobachtung

Die Krise hat uns vor Augen geführt, dass es zwischen und in einigen Euroländern bedeutende makroökonomische Ungleichgewichte gibt. Diese Ungleichgewichte, die mit dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit einiger Länder einhergingen haben die Krise verstärkt. Deswegen müssen diese Entwicklungen in Zukunft besser überwacht werden, um negative Entwicklungen rechtzeitig zu entdecken und zu verhindern. Hierbei soll ganz im Sinne der EU2020 Strategie, die Wettbewerbsfähigkeit jedes einzelnen Mitgliedstaates verbessert werden, damit die EU zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt wird.
Die Kommission soll die Entwicklungen der verschiedenen für die Wettbewerbsfähigkeit wichtigen Indikatoren in den Mitgliedstaaten beobachten, um negativen Entwicklungen vorzubeugen. Im Falle von Ungleichgewichten soll die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat entsprechende Empfehlungen zur Korrektur der Wirtschaftspolitik machen.

4. Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank

Die politische Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank muss gewahrt bleiben. Der Abbau von Staatsschulden kann nicht durch die Notenpresse geschehen, sondern muss durch verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik erreicht werden. Es war deshalb falsch, dass die EZB im Mai 2010 eingewilligt hat, Staatsanleihen überschuldeter Staaten aufzukaufen.

5. Wettbewerbsfähigkeit verbessern

a. Binnenmarkt stärken

In der gegenwärtigen Diskussion ist daran zu erinnern, dass Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit nicht nur auf der Einhaltung des SWP beruht. Es ist auch wichtig einen wirtschaftspolitischen Rahmen zu setzen, der das Wachstumspotenzial des europäischen Binnenmarktes voll ausschöpft. Die in den Verträgen festgeschriebenen Grundfreiheiten müssen endlich verwirklicht werden. Hierzu gehört zuvorderst die Vollendung des Binnenmarktes in den Bereichen Energie, Telekommunikation, Transport und Dienstleistungen, aber auch die Schaffung eines europäischen Arbeitsmarktes. Gerade die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, ist dazu geeignet Europa zusätzliches Wachstum zu bescheren. Zu einem Binnenmarkt gehört auch ein fairer Steuerwettbewerb durch das Zugrundelegen einer europaweit gemeinsamen Unternehmenssteuerbemessungsgrundlage und einer Bandbreite für Unternehmenssteuern, um Steuerarbitrage im Binnenmarkt zu verhindern.

b. Sinnvolle Verwendung von EU Geldern

Die meisten Länder mit hohen Schulden und Haushaltsdefiziten haben auch Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit. Sie brauchen gezielte Investitionsanreize. Die Kohäsions- und Strukturfonds sind das (bislang einzige) strategische Instrument der EU, um dieses Ziel zu erreichen. Die zum Teil auftretenden Probleme liegen in einer teilweise nicht ordnungsgemäßen Verwendung, vor allem aber in der schleppenden und mangelhaften Absorption der EU-Kohäsions- und Strukturfonds. Hauptursache dafür sind in den allermeisten Fällen fehlende Kofinanzierung durch die Mitgliedstaaten aufgrund falscher Prioritätensetzung und fehlende bzw. eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Regionalverwaltungen und fehlende kommunale bzw. regionale Entscheidungskompetenz.
Die EU-Struktur- und Kohäsionsfonds müssen deshalb noch stärker als bisher auf die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere auf die Existenzgründung, die Förderung von Innovation, Forschung und Entwicklung und den Technologietransfer von und für kleine und mittlere Unternehmen ausgerichtet werden. Der Prozess der Dezentralisierung muss erneut Schwerpunkt der EU-Agenda werden. Langfristig nachhaltige Strukturen setzen eine funktionierende kommunale und regionale Selbstverwaltung voraus.

c. Erschließen neuer Finanzierungsinstrumente

aa. Projektbezogene Anleihen

Gerade durch die Krise gibt es immer wieder Engpässe bei der Finanzierung von großen europäischen Projekten, insbesondere im Bereich der Infrastruktur. Hier sollte die Kommission projektbezogene Anleihen auflegen, die Investitionen in den Aufbau wichtiger europäischer Infrastruktur, z.B. im Transport- und Energiesektor, ermöglichen.

bb. Eurobonds

Eurobonds sind in der aktuellen Krise kein Ausweg. Nur unter der Voraussetzung, dass die Reform zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit Früchte trägt und die Mitgliedstaaten ihre Haushaltsdisziplin verbessern, kann mittel- oder langfristig auch über die gemeinsame Auflegung von Euroanleihen nachgedacht werden. Ein solches Eurobondsystem müsste auf einem starken institutionellen Rahmen gegründet sein, der insbesondere eine Schuldenbremse für die Europäische Union vorsieht und die Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Defizit- und Verschuldungsgrenze verpflichtet, dürfte die Auflegung gemeinsamer Staatsanleihen bis höchstens 40 % der Staatsverschuldung erlauben und darf keine gemeinsame Haftung der Mitgliedstaaten für den Ausfall anderer Mitgliedstaaten beinhalten. Für Schulden über 40 % müssten die Länder weiterhin national Anleihen ausgeben, deren Zinsen weitaus höher liegen würden. Dadurch könnte ein liquiderer Markt für Anleihen in Europa geschaffen werden, der sowohl Anreize für die Reduzierung der Staatsschulden setzt als auch ein Übertragen der Risikohaftung verhindert.

d. Nationale Reformprogramme und EU2020 Strategie

Für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt ist aber auch unabdingbar, dass Maßnahmen auf europäischer Ebene durch entsprechende Schritte auf nationaler Ebene ergänzt werden. Die Regierungen wettbewerbsschwacher Mitgliedstaaten müssen den strukturellen Umbau ihrer Volkswirtschaften schneller vorantreiben. Hierzu gehört vor allem das Zurückfahren des öffentlichen Sektors, die Reform der Arbeits- und Produktmärkte, und die Modernisierung der industriellen Basis. Die Zielvorgaben der Kommission für die Wachstumsstrategie EU2020 müssen für rechtlich bindend erklärt werden.

6. Europäischer Währungsfond

Auch das beste Regelwerk kann nicht jede Krise verhindern, deshalb ist es unumgänglich für diesen Fall einen Europäischen Währungsfond einzurichten. Dieser soll auf dem zeitlich befristeten Rettungsschirm EFSF aufbauen und ganz nach dem Beispiel des Internationalen Währungsfonds Ländern, die sich am Markt nicht mehr finanzieren können, Kredite, gegebenenfalls mit Risikoaufschlag, zur Verfügung stellen. Voraussetzung für solche Kredite ist, dass das Land ein Reformprogramm durchführt, das in Absprache mit dem EWF, der Kommission und der EZB erstellt wurde. Falls ein Land trotz dieser Liquiditätsspritzen in die Insolvenz gleitet, soll der EWF zusammen mit Kommission und EZB ein geordnetes Insolvenzverfahren unter Hinzuziehung der privaten Gläubiger durchführen. Ein solches Insolvenzverfahren vermeidet das Abgleiten der EU in eine Gemeinschaft, in der Mitgliedstaaten für andere unbegrenzt haften. Der EWF soll auf der finanziellen Ausstattung der EFSF aufbauen.

7. Verbesserung der europäischen Finanzaufsicht

Im Rahmen der Überwachung der makroökonomischen Ungleichgewichte muss die enge Zusammenarbeit zwischen Kommission und dem neuen bei der EZB angesiedelten Europäischen Ausschuss für Systemrisiken sichergestellt werden, um Ungleichgewichte vor allem in der Form von Spekulationsblasen (wie z.B. in Irland und Spanien) rechtzeitig zu verhindern. Darüber hinaus muss im Zuge der Revision (in drei Jahren) der gerade verabschiedeten Gesetzgebung zur europäischen Finanzaufsicht diese weiter reformiert werden. Die drei neuen Behörden sollen zu einer europäischen Finanzaufsichtsbehörde zusammengeführt werden, die alleinig zuständig ist für die Aufsicht über große, grenzüberschreitend tätige Finanzinstitute.

8. Europäisches System zur Bankenabwicklung

Die Krise hat gezeigt, dass die Probleme eines Finanzinstitutes schnell auf den gesamten Bankensektor übergreifen können. Es gibt hierfür weder in den meisten Mitgliedstaaten noch auf europäischer Ebene einen adäquaten rechtlichen Rahmen, wie man solchen Problemen begegnen soll. Um in der Zukunft eine solche Ansteckung zu verhindern, ist es deshalb unabdingbar, dass die Mitgliedstaaten einen rechtlichen Rahmen für den Umgang angeschlagener nationaler Finanzinstitute errichten, und dass auf europäischer Ebene ein solcher rechtlicher Rahmen für die europaweit tätigenden Finanzinstituten errichtet wird. Dieser rechtliche Rahmen soll die Sicherung der Einlagen garantieren und den Einsatz von Steuergeldern zur Rettung ausschließen.

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